über Carl Struewe

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Carl Strüwe. Leben und Werk

Carl Heinrich Jakob Strüwe, geboren am 2. Dezember 1898 in Bielefeld, gestorben am 7. Januar 1988 in Bielefeld, war ein deutscher Grafiker und Fotograf. Mit seinem Buch Formen des Mikrokosmos- Gestalt und Gestaltung einer Bilderwelt (München, 1955) begründete er die Kunst der Mikrofotografie als eigenes bildnerisches Fach. 

Leben

Carl Strüwe war der erste von fünf Söhnen des Ehepaars Wilhelmine und Carl Strüwe. Der Vater, Carl Strüwe (1863–1937), war selbständiger Malermeister, Lehrer an der Maler-Fachschule und Ehrenmeister der Malerinnung Bielefeld. Die Mutter war Wilhelmine Strüwe, geb. Dunkel (1875–1956).

Von 1905 bis 1913 besuchte Strüwe die Grundschule und machte von 1913 bis 1917 eine Lehre als Lithograf bei der Firma E. Gundlach AG in Bielefeld. Nach der Gesellenprüfung 1917 wurde er Soldat im Ersten Weltkrieg, dem er körperlich unverletzt entkam. 1919 trat er wieder in seinen Lehrbetrieb ein und blieb, mit Unterbrechungen während des Zweiten Weltkrieges, bis 1963 als angestellter Grafiker dort tätig. Daneben studierte er von 1919 bis 1923 Zeichnen, Malerei und Schrift in Abend- und Sonntagsklassen der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bielefeld bei den Professoren Ludwig Godewols, Karl Muggly (Zeichnen, Malerei) und Fritz Eich (Schrift und Buchausstattung).

1923 heirateten Carl und Hedwig Strüwe, geb. Haase (1896–1992). Die Ehe blieb kinderlos. Gemeinsame Reisen führten das Paar bis Anfang der 1970er-Jahre nach Österreich, Schweiz, Italien, Tunesien, Marokko. 1939 bis 1940 war Carl Strüwe Soldat im Zweiten Weltkrieg. 1945 vernichteten Bomben auf Bielefeld sein Atelier und einen Großteil seines Bildarchivs. In den Jahren danach baute er sein Werk durch neue Abzüge wieder auf, ergänzte es durch neue Arbeiten und nahm an zahlreichen Ausstellungen und Publikationen teil, die sein Werk in Fachkreisen bekannt machten. 

1982 richtete der Bielefelder Kunstverein Carl Strüwe eine Retrospektive ein, nach der er den wesentlichen Teil seines fotografischen Werkes Stadt und Kunsthalle Bielefeld stiftete. 1986 erhielt er den Kulturpreis seiner Heimatstadt für sein Gesamtwerk. Carl Strüwe starb am 7. Januar 1988. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof in Bielefeld-Schildesche.

Werk

Ab 1924 wendete sich Strüwe als Autodidakt der Fotografie zu. Zuerst mit Reisebildern zum Thema Spuren der Hohenstaufen in Italien, einer bis 1952 verfolgten fotografisch-literarischen Historiografie, die mit dem Buch Hohenstaufen in Italien – Bilder und Worte ihren Abschluss fand (Bielefeld 1986). 

1926 begann Carl Strüwe sein künstlerisches Hauptwerk mit einer ersten Mikrofotografie mit dem Titel „Weiß über Grau schwebend“. Bis 1959 entstand daraus ein Komplex von 280 Mikrofotografien, von denen er 96 in seiner Monografie Formen des Mikrokosmos – Gestalt und Gestaltung einer Bilderwelt als Ergebnis seiner bis dahin gewonnenen bildlichen Erkenntnisse versammelte. Das Buch zeigt Stilformen der Neuen Sachlichkeit der 1920er-Jahre und gelangt über einen eigenen Bildsymbolismus in den 1930er-Jahren zu freien Belichtungsmontagen im Sinne der Subjektiven Fotografie der Nachkriegszeit. Seine Mikrofotografien folgen einer eigenen bildnerischen Ordnung, unabhängig von wissenschaftlichen Taxonomien der in ihnen versammelten Gegenstände. Mit seinem Werk begründete Carl Strüwe die künstlerische Mikrofotografie als eigenes bildnerisches Fach und gilt seither als dessen Wegbereiter und Pionier. 

In den 1950er-Jahren fanden Arbeiten von Carl Strüwe Eingang in die Fotoavantgarden seiner Zeit, so in Ausstellungen und Publikationen der Bewegung The New Landscape um György Kepes am MIT in Cambridge, USA, sowie der Gruppierung Subjektive Fotografie um Otto Steinert in Saarbrücken, Deutschland. Bis heute werden seine Mikrofotografien international gezeigt, publiziert und gesammelt. Eine Dissertation zu seinem Lebenswerk erschien 2011: Gottfried Jäger: Mikrofotografie als Obsession – Das fotografische Werk von Carl Strüwe (1898–1988) an der Universität Bielefeld

Text: Prof. Dr. Gottfried Jäger, Bielefeld





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